Interview mit Dennis Lessing, Geschäftsführer von Lessing Friseure

Dennis Lessing und seine Frau Yvonne führen im nordhessischen Korbach zwei Friseurgeschäfte; der ältere davon ist bereits seit 82 Jahren in Familienbesitz. 2004 übernahm Lessing den Betrieb von seinen Eltern. Die beiden Betriebsstätten mit insgesamt 20 Mitarbeitern verfolgen unterschiedliche Konzepte: ein klassischer Salon mit fester Terminvereinbarung, Service- und Wellnesscharakter und ein Express-Salon für spontane Kunden, die eine schnelle Bedienung schätzen.

Herr Lessing, was war für Sie der Impuls, die Situation Ihrer Beschäftigten in den Blick zu nehmen?
Unsere Überlegungen drehten sich bis dato immer darum, was wir für die Kunden tun und durch welche Aktionen wir sie noch stärker an unser Unternehmen binden können. Doch uns wurde klar, dass es genauso wichtig ist, gute und qualifizierte Mitarbeiter zu finden und zu binden. In Zeiten des zunehmenden Fachkräftemangels wird das auch für uns immer schwieriger. Als dann Herr Gronau, der unseren Betrieb schon länger berät, mit dem ESF-Programm unternehmensWert:Mensch an mich herantrat, war ich schnell überzeugt.

Wie lief der Beratungsprozess in Ihrem Unternehmen ab?
Zunächst haben meine Frau und ich mit Hilfe von Herrn Gronau unsere eigenen Werte definiert und erarbeitet, wofür wir als Unternehmen stehen. Und das im ganz wörtlichen Sinne – für jeden Buchstaben unseres Nachnamens LESSING haben wir einen Wert gefunden, den wir kommunizieren und vor allem leben wollen. Anschließend haben wir die Angestellten eingebunden. Zuerst haben wir in einer anonymen Befragung ihre Sicht der aktuellen Arbeitssituation abgefragt, dann sind wir in Gruppenarbeit eingestiegen. Gemeinsam haben wir beispielsweise unsere alte Betriebsordnung durch einfache und klare Leitlinien ersetzt, hinter denen wir alle stehen.

Welche Ergebnisse haben Sie im Beratungsprozess erarbeitet?
Vor allem haben wir unser Betriebsklima spürbar verbessert und an unserer Kommunikation gearbeitet, denn beides spielt eine wichtige Rolle für das Wohlbefinden und die psychische Gesundheit der Beschäftigten. Wir wollen auch aus unseren täglichen Arbeitsgesprächen den Druck herausnehmen, verzichten deshalb jetzt bewusst auf aggressive Begriffe und das Wort „müssen“ und versuchen, zukünftige Termine nicht vor ihrer Zeit zu thematisieren. Zuletzt haben meine Frau und ich ganz konkret unsere Wertschätzung den Angestellten gegenüber zum Ausdruck gebracht: Bei einer „Wir-sagen-Danke-Aktion“ haben wir sie im Salon mit einem kleinen Fest überrascht und einen Abend lang für sie gearbeitet. Insgesamt tun wir jetzt auch im Bereich Gesundheit mehr für unsere Beschäftigten. Durch eine Kooperation mit dem örtlichen Fitnessstudio können sie dort günstiger Mitglied werden. Außerdem haben wir uns physiotherapeutisch beraten lassen.

Gab es für Sie einen „Aha-Moment“?
Es gab sogar mehrere prägende Momente. Zum Beispiel, als zum ersten Mal unser neu ausgearbeitetes Unternehmensleitbild schwarz auf weiß vor mir lag. Das nächste Aha-Erlebnis hatte ich, als ich verstand, wie entscheidend das Betriebsklima durch die Sprache beeinflusst wird, die wir im Arbeitsalltag verwenden. Schon durch kleine Änderungen in der Kommunikation konnten wir hier viel verbessern. Der größte „magische Moment“ war jedoch unsere „Wir-sagen-Danke“- Aktion, die wir in unterschiedlicher Form für Kunden und Mitarbeiter veranstaltet haben. Kunden und Kollegen haben uns hinterher darauf angesprochen und wir bekommen nun Bewerbungen von Friseuren, die davon gehört haben und gerne bei uns arbeiten möchten.

Was raten Sie anderen kleinen und mittleren Unternehmen in Sachen Gesundheitsförderung?
In der Friseurbranche wird oft versucht, mit Preisdumping neue Kunden zu gewinnen. In meinen Augen ist das der falsche Weg, denn schlechte Bezahlung und sinkende Qualität machen auf Dauer weder Beschäftigte noch Kunden glücklich. Ich kann jedem Kollegen nur raten, stattdessen in die Gesundheit und die Zufriedenheit der Beschäftigten zu investieren und Beratungs- und Förderangebote in diesem Bereich zu nutzen. Aus einem solchen Prozess ergeben sich dann neue Perspektiven: mehr Freude an der Arbeit, ein niedriger Krankenstand, neue Marketingansätze, ein spürbar besseres Betriebsklima und ein echtes „Wir-Gefühl“. Wenn die Beschäftigten sagen „Der Salon ist mein zweites Zuhause“, dann spüren das die Kunden und kommen gerne wieder.

Quelle: psyGA